Die Gitxsan

Geschrieben am 22. Oktober 2013 von

Konzentriert blickt der junge Mann nach unten. Er ist mit einem Seil an dem Felsen gesichert, auf dem er steht. Um ihn herum stürzt das Flusswasser mit lautem Getöse die Felskante hinab. Er hält einen Käscher in der Hand und starrt bewegungslos auf die schäumenden Fluten. Dann eine schnelle Bewegung – und ein Fisch zappelt in dem Netz des Käschers. Er wirft ihn hinter sich, wo er zappelnd in einem Loch im Felsen verschwindet. Dann nimmt er wieder Haltung an und wartet auf den nächsten Fisch.

Auf traditionelle Weise fischen die Indianer von Moricetown den Lachs

Genau wie vor hundert Jahren fischen die Indianer von Moricetown die Lachse des gleichnamigen Flusses, wenn diese auf ihrer Wanderung zu den Laichgebieten im Quellgebiet die Wasserfälle hochspringen. In einer weit abgelegenen Gegend, rund 1000 Kilometer nördlich von Vancouver, haben die Menschen hier ihre Traditionen beibehalten können. Wir sind dem Tipp unseres Reiseführers gefolgt und beobachten nun staunend vom anderen Ufer aus, wie der junge Mann einen Lachs nach dem anderen aus dem Wasser fängt. Natürlich kaufen wir ihm auch einen ab, bevor wir weiterfahren, um uns ein Museumsdorf anzuschauen, in dem wir noch mehr über die Bewohner dieser Gegend erfahren.

Wir besuchen ein Museumsdorf der Gitxsan

Wir besuchen ein Museumsdorf der Gitxsan

Es ist ein Stamm, der sich die Gitxsan nennt, was „Das Volk vom Fluss im Dunst“ bedeutet. Sie waren Jäger, Fischer und Sammler und lebten in festen Siedlungen. Da sie erst im späten 19. Jahrhundert mit Europäern in Berührung kamen, konnten sie sich viel von ihrer ursprünglichen Kultur bewahren. Schon 1959 entstand der Vorläufer des heutigen Museums, in dem originale Alltagsgegenstände gesammelt und ausgestellt wurden. Daraus entstand dann die Idee, ein ganzes Dorf mit den traditionellen Langhäusern zu rekonstruieren, das gleichzeitig auch als kulturelles Zentrum für die heute noch lebenden Gitxsan dienen sollte. So wurde 1970 das Museumsdorf eröffnet, in dem wir jetzt von Haus zu Haus schlendern.

Im Frosch-Haus wird die frühere Lebensweise der Gitxsan dargestellt

Im Frosch-Haus wird die frühere Lebensweise der Gitxsan dargestellt

Im Frosch-Haus wird die frühere Lebensweise der Gitxsan dargestellt. In der Mitte gibt es eine Feuerstelle neben der ein großer Suppentrog steht. An den Außenwänden entlang sind typische Gegenstände ausgestellt. Besonders beeindrucken uns die großen Holzkisten, deren Außenwände komplett aus einem Brett gefertigt wurden, das zu einem Viereck gebogen wurde. Nur der Boden und der Deckel sind extra angebracht. Wir schauen uns um und staunen, dass in diesem kleinen Raum bis zu 60 Menschen zusammen den Winter verbracht haben.

Im Wolfs-Haus wurden die traditionellen Feste gefeiert

Im Wolfs-Haus wurden die traditionellen Feste gefeiert

Im Wolfs-Haus wurden die traditionellen Feste gefeiert, bei denen es auch darum ging, Geschäfte zwischen den einzelnen Siedlungen und Stämmen zu besprechen. Sie dauerten mehrere Tage bis einige Wochen und waren ein wichtiges Mittel, um Rechte und Privilegien weiterzugeben und zu festigen. Als die Feste Ende des 19. Jahrhunderts von der Regierung verboten wurden, feierten die Gitxsan sie heimlich weiter. Erst seit 1951 sind sie wieder offiziell erlaubt.
Zuletzt schauen wir uns noch das Fireweed-Haus an, in dem wertvolle Festgewänder, Insignien und Kopfbedeckungen ausgestellt sind. Mit Muscheln und Adlerfedern verziert unterstreichen sie die Bedeutung dessen, der sie trägt. Die anderen Häuser, wie z.B. das Adler-Haus, eine Werkstatt und ein Seidensiebstudio können wir nur von außen anschauen.
Vor und zwischen den Häusern stehen Totempfähle, die ein wichtiger Bestandteil des Brauchtums sind. Mit ihnen wird an wichtige Ereignisse oder Personen erinnert, sie werden bei Zeremonien als Geschenke übergeben oder als Statussymbol im eigenen Dorf aufgestellt. Einen dieser Pfähle möchten wir hier einmal vorstellen: Den Versammlungsort

Dies ist der Pfahl, der an die Eröffnung des Museumsdorfes 1970 erinnert. Der Mann mit dem Zylinder an seiner Spitze ist ein Vertreter der Regierung. Die Figuren darunter stellen die Wappen der vier Gitxsan-Clans (also Großfamilien) dar. Der Adler für den Adler-Clan, darunter ein Wolf, für den Wolfs-Clan. Der Moskito, der sich in einen Menschen verwandelt ist das Symbol des Fireweed-Clans. Der kleine Frosch, der auf der Stirn des Moskitos sitzt symbolisiert den Frosch-Clan.

Wir nehmen den gekauften Lachs aus

Wir nehmen den gekauften Lachs aus

Als wir das Museum verlassen und in Richtung Zeltplatz fahren, sind wir ganz erfüllt von den vielen interessanten Informationen und neuen Eindrücken. Aber auch der Abend hält noch ein kleines Abenteuer bereit: Wir nehmen den gekauften Lachs aus. Wir haben ihn komplett gekauft, also müssen wir ihn aufschneiden, alle Innereien, das Herz und erstaunlich viele Fischeier herausnehmen. Glitschig und blutig wie er ist, kostet das einiges an Überwindung, aber dann brutzeln die Filets lustig in der Pfanne und uns steigt der Geruch von gebratenem Lachs in die Nase. Als wir uns das Ergebnis unserer Mühen schmecken lassen, denken wir auch an den jungen Mann am Wasserfall zurück.