Es ist früher Morgen in Kingston, einer Kleinstadt am Ufer des Ontariosees. Das große Einkaufszentrum öffnet gerade seine Türen, aber noch liegt der Parkplatz davor verlassen da. Nur in einigen Wohnmobilen, die ganz hinten in der Ecke etwas verschämt dastehen, regt sich langsam etwas. Ein, zwei Leute steigen aus und begeben sich zu den Waschräumen des Einkaufszentrums, das die nächtlichen Camper auf seinem Parkplatz gern duldet. Es folgen weitere. Schließlich kommen die ersten mit einer großen Brötchentüte zurück und das Frühstück kann beginnen.
So in etwa spielt sich unser Morgen in dem Wohnmobil ab, das wir uns mit meinen Eltern und meinem Bruder ausgeliehen haben, um mit ihnen zwei Wochen Urlaub zu verbringen. Es ist sieben Meter lang und drei Meter breit. Beim Fahren wirkt das ziemlich groß, aber neben kompletten Wohnbussen (Größe und Format Reisebus, aber eben doch Wohnmobil) und riesigen Wohnanhängern, die an den Pick-Up gehängt werden, sieht es auf dem Zeltplatz recht klein aus. Dafür ist es aber mit allem ausgestattet, was wir brauchen. Es gibt einen Herd, eine Spüle, einen Kühlschrank, einen Gefrierschrank, eine Toilette und sogar eine Dusche. Mit zwei großen Doppelbetten und einem kleineren Einzelbett reicht der Platz gerade so für uns fünf Personen. Trotzdem steht man sich in dem schmalen Gang eigentlich immer im Weg und so sind wir froh, wenn das Wetter es zulässt, dass wir uns im Freien aufhalten.
Nach dem Frühstück müssen wir das Wohnmobil auf die Abfahrt vorbereiten. Generell gilt dabei: Alles was herunterfallen kann, muss in Schränken, hinter Sitzen oder sonst irgendwie verstaut werden. So rollt unsere riesige Wassermelone in der Spüle im Kreis und den Seifenspender legen wir in das Handwaschbecken. Das Geschirr in den Schränken klappert zwar bei jeder Unebenheit in der Straße, aber es steht sicher in einer Plastikwanne, so dass es nicht verrutschen kann. Das gesamte Wohnmobil erzeugt außerdem derart laute Fahrgeräusche, dass das klappernde Geschirr nicht weiter auffällt.
Nach einigen Tagen unterwegs haben wir uns schon an das Wohnmobil gewöhnt und genießen es, einfach auf einem Rastplatz anhalten zu können und alles da zu haben. Wir können uns beliebig Tee oder Kaffee kochen, Essen aufwärmen, den Kühlschrank plündern und Geschirr oder Besteck benutzen, egal wo wir gerade sind. Auch für Toilettenpausen brauchen wir einfach nur anhalten. Wenn wir abends auf den Zeltplatz fahren, steht nach dem Einparken unsere Behausung schon fertig eingerichtet da und wir können mit dem Kochen beginnen. Was für ein Unterschied zu unserer Fahrradtour, auf der wir fast eine Stunde gebraucht haben, bis die Taschen abgenommen, das Zelt aufgebaut und dann zum Schlafen eingerichtet war! Die oben beschriebene Übernachtung auf einem Parkplatz war nur eine Ausnahme. Normalerweise fahren wir auf einen Zeltplatz, wo wir dann auch eine gemütliche Parzelle, bessere Sanitäreinrichtungen und einen Stromanschluss haben. Außerdem gibt es in der Regel einen Frischwasseranschluss und eine Abwasserstation.
Natürlich lassen wir das Wohnmobil auch Mal stehen, um die Gegend zu erkunden. Wir besichtigen ein Freilichtmuseum, in dem Schauspieler das Leben in einer Siedlung des 19. Jahrhunderts zum Leben erwecken, ein Fort (also einen Militärstützpunkt) aus der gleichen Zeit, das sehr gut erhalten ist, da es nie angegriffen wurde und auch einen Nationalpark. Die Wanderung in dem Park wird allerdings zu einem sehr nassen und matschigen Vergnügen, da wir in einen Gewitterguss geraten und die Wege, die sowieso nur bessere Trampelpfade sind, sich in kleine Schlammbäche verwandeln. Zum Glück haben wir alle unsere Sachen im Wohnmobil dabei und so sitzen wir bald wieder in trockenen und sauberen Klamotten um ein Lagerfeuer herum, grillen Würstchen und die für Nordamerika typischen Marshmallows, während unsere Sachen an improvisierten Wäscheleinen zwischen den Bäumen trocknen.