Im internationalen Austausch

Geschrieben am 18. April 2013 von

Eine riesige Halle mit langen Tischreihen, in grün und lila gehalten. An den Wänden hängen große Tafeln mit Zahlen von 1 bis 75. An der Stirnseite sitzt eine Frau und lässt mit monotoner Stimme Zahlen über die Lautsprecher ertönen: B13, I18, N33, G58, O74. An den Tischen sitzen eine handvoll Leute und machen nach jeder Nummer einen Stempel auf das Blatt Papier, das vor ihnen liegt. Nach einer Weile hebt jemand die Hand und ruft: “Bingo“. Sein Schein wird kontrolliert und eine neue Runde beginnt. In einer Ecke der Halle steht ein Tresen, an dem die Gewinne ausgegeben werden. Neben zwei anderen Freiwilligen stehe auch ich dort, staple Geldstücke in ein Zählbrett oder lege die Geldsummen zurecht, die dann von den Angestellten der Bingohalle an die Gewinner ausgeteilt werden.

Dass mich mein freiwilliger Einsatz einmal in eine Bingohalle verschlagen wird, das erwarte ich nicht, als ich mich an einem grauen Novembernachmittag das erste Mal mit einer Mitarbeiterin der Organisation für internationale Schüleraustausche treffe. Ich habe mich dort beworben, weil ich die verschiedenen Facetten ihrer Arbeit kennenlernen möchte und sie nehmen meine Unterstützung gern an.

Ehrenamtliche Mitarbeit

Büroarbeit

Eine meiner ersten Aufgaben ist es, Interviews mit den Schülern aus Kanada durchzuführen, die für ein Jahr, sechs Monate oder sechs Wochen in ein anderes Land gehen wollen. Dort werden sie in einer Gastfamilie leben und eine Schule zu besuchen. Mit dem Interview stellen wir fest, ob sie gewappnet sind, mit den Herausforderungen eines solchen Austausches umzugehen oder ob es  Einwände gibt, wie z.B. die falsche Einstellung oder zu großer Druck der Eltern. Es ist sehr spannend so viele verschiedene junge Menschen kennenzulernen und ihre Motive zu erfragen, die sie ins Ausland treiben. Viele haben schon einige Erfahrung gesammelt und können von interessanten Erlebnissen berichten.

Nach dem Interview geht es erst einmal um Papierkram. Die Schüler müssen Formulare ausfüllen und medizinische und schulische Gutachten einschicken. So kommt ein ganzer Stapel von Papieren ins Büro, der sortiert, gesichert und dann in einem dicken Umschlag an die Aufnahmeländer weiter verschickt wird. Um diese ganze Arbeit zu bewältigen, fahre ich für zwei Wochen in das Büro, das etwas außerhalb von Toronto liegt. Da ich bei einer von den Mitarbeiterinnen übernachte, bekomme ich so ganz nebenbei auch einen Eindruck vom kanadischen Familienleben.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch die Schüler, die sich im Moment in Kanada aufhalten. Ich lerne sie während einer Orientierungs-Veranstaltung im Januar kennen, bei der ich eine Diskussionsrunde darüber leite, wie wichtig die eigene Einstellung für den Erfolg eines Austausches ist. Ziel dieses Treffens ist es, die Schüler nach sechs Monaten im Land neu für die verbleibende Zeit zu motivieren und eventuelle Probleme anzusprechen. .

Im Laufe der nächsten Monate treffe ich einige der Schüler wieder. Da Toronto eine zentraler Umstiegsort ist, passiert es immer wieder, dass ich für einige Stunden auf einzelne Schüler acht geben soll. Einmal wird es aber auch ein wenig anspruchsvoller: Fünf Schüler wollen sich in ihrer Ferienwoche im März Toronto anschauen! Ich organisiere den Ausflug und klappere mit ihnen drei Tage lang die verschiedenen Sehenswürdigkeiten Torontos ab. Zu der eigentlichen Anstrengung des Sightseeings kommt für mich noch die Kopfarbeit hinzu. Ständig zähle ich, ob auch alle noch zusammen sind und mache Pläne, wie wir von A nach B kommen, wie viel Zeit wir noch haben und wo wir essen gehen wollen. Die fünf Schüler sind eine sehr nette Truppe und wir haben keine Probleme, aber trotzdem bin ich am Ende drei Tage froh, als ich wieder etwas Zeit für mich habe.

Zu meinem Einsatz in der Bingohalle kommt es, weil die Stadtverwaltung den daraus erzielten Gewinn an verschiedene non-profit Organisationen aufteilt. Dafür müssen diese Organisationen aber an drei Monaten im Jahr wöchentlich für ein paar Stunden aushelfen. Natürlich darf dies dann auch für mich nicht fehlen und so kann ich am Ende für einen glücklichen Gewinner, den Hauptgewinn von 1000 kanadischen Dollars ausgeben.